Herrgott zwo null
Ein haidnisches Symposion
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Am Vormittag des 3. Juni 1998, dem 19. Todestag Arno Schmidts, gleichzeitig Tag des ICE-Unglücks von Eschede,
kehrt Gott in Gestalt Arno Schmidts in den Heidegasthof 'Zum Blauen Enzian' ein und zwingt den Anwesenden - dem Wirt
(im Jägermeister-T-Shirt), einem arbeitslosen Soziologen (im Netzunterhemd), vier angetrunkenen Sargträgern (in Schwarz) -
ein Gespräch auf. In der Unterhaltung geht es um Hermann Löns, Arno Schmidt und Herrn Natürlich, um das Gemächt des Toten,
um Beischlaf und Mißbrauch vor der Theke, auf der Kegelbahn und auf dem Billardtisch, um Valerie Solanas, Abe Sada,
die Zeitschrift 'Schwanz ab' und um Gott, der allwissend und „selbstverständlich Atheist“ sein will.
Vor 35.000 Jahren werden die bahnbrechenden Werke 'Poetologie des Nichts' und 'Poetologie des Universums'
an die Wände einer Höhle in den Pyrenäen gemalt, undeutbare Fragmente davon tauchen später im Bahnhof von Uelzen wieder auf.
Ada Lovelace extrahiert aus einem Manuskript, in dem sich Gottfried Wilhelm Leibniz mit den Tri- und Hexagrammen
des chinesischen Urkaisers beschäftigt, die Weltformel, die später von Arno Schmidt in einer Butterbrotdose aus der
Staatsbibliothek geschmuggelt wird. Eine Freifrau von Undeloh schreibt eine 'Geschichte der Menschheit von den Anfängen
bis ins Jahr 9595', die Zager & Evans zu ihrem Welthit inspiriert. Arno Schmidt und Charles Bukowski,
die sich heimlich in einem Bordell in Uelzen getroffen haben, um zu saufen und über Nachkriegsprosa zu streiten,
jagen nachts auf der Suche nach Spuren dieser Chronik im Taxi durch die Lüneburger Heide.
Paperback • 132 Seiten • 6,50 € • ISBN 978-3-7481-6014-4
Herrgott zwo null gibt's im Buchhandel,
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E-Mail: herrgott@irrationale.net |
Rezensionen
Nur selber lesen macht hier glücklich!
Doch dann, mit dem Buchbeginn, tat sich ein mittelschweres Wunder: wir, die Paganini´s-Redaktion, lasen gemeinsam mit heißen Köpfen und wollten und
konnten nicht aufhören, bis der "Herrgott" sich noch ein "letztes Mal" umdreht und langsam seinen Mittelfinger gen Menschheit in die Höhe streckt.
Zuvor waren wir mit Gott im "Blauen Enzian" gelandet, durften uns dort mit einigen Doppelkorn warmlesen, um dann dem rasantesten Road-Movie durch die
Köpfe einer unglaublich spannenden Kulturgeschichte (der Menschheit seit Anbeginn) zu folgen.
Dran geblieben, an dieser Vielheit der Bezüge (ach, i wo, nicht nur auf A.S., sondern auf Löns, Leibniz, Lovelace, Hundertwasser, Bukowski, den
chinesischen Urkaiser sowie einer gewissen Freifrau von Undeloh und und und) sind wir aus einem einzigen Grund: Peter Walther ist ein fantastischer
ERZÄHLER, ein sprachlich souveräner Spieler, der keinerlei Hemmungen hat, den Fundus seiner nahezu schwindelerregenden, literaturwissenschaftlichen
Kenntnisse mit ebenso schwindelerregenden Fantasien seines Schriftsteller-Kopfs zu vermischen, so dass dem Leser und der Leserin doch arg benommen
zumute werden kann, benommen auf schönste Art, da stimuliert, inspiriert, aufgescheucht und immer amüsiert.
Umständlich, wie es bereits der Anfang dieses Posts gewesen ist, nun unser Bekenntnis: Dies ist ausdrücklich keine Rezension, sondern eine große
EMPFEHLUNG.
Nur selber lesen macht hier glücklich!
(Annette van den Bergh =
Paganini's Berlin)
Längeres Gedankenspiel für AS-Lese*Rinnen
Als eine „Fantasie über ein Topos von Arno Schmidt“, nämlich den Atheismus, lässt sich diese Erzählung verstehen.
(Der!?) Gott in Gestalt von AS doziert in einer Kneipe in der Nordheide - ein zwar allwissender aber ohnmächtiger Gott,
der am Ende einer für ihn sehr unbefriedigenden Begegnung mit einfachen ländlichen Typen und einem ZEIT-lesenden
Intellektuellen-Darsteller dermaßen über die aktuelle Situation und seine eigne eingeschränkte Stellung
(außer Wissen keine Kompetenzen) frustriert ist, dass er zu einem Wut schnaubenden Haudrauf wird.
Kein Eingreifen ist diesem Gotte möglich, was nicht zuletzt an dem IC-Unglück in Eschede deutlich wird,
das sich just am Vormittag dieses 3. Juni 1998, dem Tag dieser morgendlichen Kneipenbegegnung und AS's 19. Todestag, ereignet.
Teilweise amüsante Schnurren aus dem im Grunde nutzlosen Wissensfundus dieses Gottes (hier mehr aus dem Schmidt'schen Kosmos)
werden ausgebreitet. Hierzu gehört nicht zuletzt die Entwicklung der Zivilisation seit gewissen Höhlenzeichnungen vor 35000 Jahren
bis in's Jahr 9595. Ja, Zager&Evans spielen indirekt auch eine Rolle dabei ...
Für Arno-Schmidt-Leser*innen und-Fans ist dies ein Büchlein, das nicht nur in die einschlägige Peripherie-Bibliothek gehört,
sondern auch ein per saldo unterhaltsames Lesevergnügen bereit hält.
Ein Humor gespicktes, hinterfotziges Lesevergnügen
Habe gestern mit großem Vergnügen das Buch „Herrgott zwo null“ gelesen. Ein wunderbares Kaleidoskop von literarischen Anspielungen,
phantastischen Spekulationen und überraschenden Synapsenvolten.
Als Jugendlicher bekennender Maggi-Trinker kann ich auch die Schmidtsche Obsession absolut verstehen.
Und „In the year 2525“ als Quintessenz der vorgeschichtlichen Weisheit und Prophetie von Qochurtzo und seiner Beiliegerin
zu belegen, ist einfach wunderbar, samt der Transkription durch Hundertwasser in die Kunst des 20. Jahrhunderts.
Überraschend der Schluss mit der Katastrophe von Eschede am Todestag des Heidedichters.
Hinweis auf ein metaphysisches Menschenopfer?
Kompliment für dieses kleine, feine Stück Literatur – Chapeau!
(Gerd Scherm)
Accelerando
Wie kommt also der Herrgott in diesen äußerst lesenswerten Text?
Nun. Als ihm wieder einmal danach war, ging er (in der Hülle Arno Schmidts) auf der Erde spazieren und kehrte in der Gegend
um den Wilseder Berg in einen Gasthof mit Kegelbahn ein.
„Zum Blauen Enzian“ hieß er, der Gasthof, und der Herrgott wollte
nur nach dem Rechten sehen.
Nicht allmächtig aber allwissend stürzt er die Protagonisten und den Leser in ein Accelerando aus Begebenheiten und Anekdoten
durch die Geschichte der Menschheit von der Höhlenmalerei über den Informationserhaltungssatz, die Poetologie des Nichts,
(es sei nicht zuviel verraten), Leibniz, Joyce, Bukowski, eine halbe Flasche Mu¨ller-Thurgau und Wohnzimmerschrank-Metaxa
bis in ein furioses Finale mit Zornesausbruch.
Dem Autor gelingt es, den Leser von Anfang bis Ende zu fesseln, und ich möchte „Herrgott zwo null /Ein haidnisches Symposion“
ausdrücklich empfehlen.
(Frank Lepold)
Sozusagen ein Heideroman
Der geneigte Leser möge sich nicht täuschen lassen, dieses Buch spielt zwar in der deutschen Provinz,
ist aber gleichzeitig ein Parforceritt durch die gesamte Menschheits- und Kulturgeschichte – mindestens.
Neben dem Herrgott (in Gestalt Arno Schmidts) und einigen moralisch eher zweifelhaften (aber sehr trinkfreudigen)
Heidebewohnern werden in diesem Roman unter anderem Ada Lovelace, Charles Bukowski und Valerie Solanas
(„Manifest zur Abschaffung der Männer“) thematisiert.
Es wird nichts ausgelassen, die Themen reichen von A (Anlagebetrug) bis Z (Zarquon der Prophet) und behandeln
dabei einen Metaphernschnaps, das Schessinghäuser Katerfrühstück und einen geheimnisvollen Maggi-Kult.
Jeder Leser von Arno Schmidt oder Douglas Adams wird an diesem Buch seine Freude haben.
Die Unzulänglichkeit des Menschengeschlechts - trotz alles Kulturschaffens und entschlüsselter Weltformel -
wird in einem heruntergekommenen Gasthof in der Lüneburger Heide eindrucksvoll bloßgestellt.
(Klaus Hulha)